Mit Urteil (Volltext) vom 03.07.2013 hat das Landgericht Frankfurt am Main die Einkesselung von über 450 Menschen im Rahmen der „M31“-Demonstration am 31. März 2012 für teilweise rechtswidrig erklärt. Das Festhalten der Betroffenen bis in die späten Abendstunden sowie die anschließende Verbringung in Gefangenensammelstellen (GeSa) der Polizeipräsidien Frankfurt am Main, Friedberg, Wiesbaden, Darmstadt und Offenbach seien nicht durch § 163b StPO zu rechtfertigen. Zwar sei die darin geregelte vorübergehende Ingewahrsamnahme durch den Kessel zur Identitätsfestellung rechtmäßig gewesen. Diese hätte jedoch zeitnah nach der Einkesselung der Demonstrationsteilnehmer_innen vor Ort erfolgen müssen. Weitergehende Maßnahmen, wie beispielsweise die erneute Identitätsfeststellung in den diversen GeSas, seien hierfür nicht erforderlich und somit unverhältnismäßig gewesen. Es sei des Weiteren nicht ersichtlich, warum die zur Identitätsfeststellung getroffenen Maßnahmen erst nach mehreren Stunden Freiheitsentzug begonnen wurden.
Das Urteil zeigt erneut, in welchem Maße sich die Frankfurter Polizei immer wieder über Grundrechte hinwegsetzt. Gerade im Zusammenhang mit Demonstrationen und politischen Aktionen überschreitet sie regelmäßig rechtliche Grenzen. Betroffen sind hiervon auch immer wieder hochschulpolitische Proteste. So wurden im Jahr 2008 im Anschluss an eine Demonstration gegen Studiengebühren und die schwarz-gelbe Landesregierung anlässlich der am darauffolgenden Tag stattfindenden Landtagswahl ca. 200 Personen im Frankfurter Bahnhofsviertel eingekesselt. Nach mehrstündiger Freiheitsentziehung wurden alle Personen, teilweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln, in die Frankfurter GeSa verbracht, wo es zu weiteren Maßnahmen wie körperlichen Untersuchungen und erkennungsdienstlichen Behandlungen kam. Auch Minderjährige mussten sich teilweise bei geöffneter Tür nackt ausziehen und wurden erst nach mehreren Stunden mitten in der Nacht entlassen. Schon damals wurde das polizeiliche Vorgehen vom Landgericht mit der gleichen Begründung wie im aktuellen Fall für rechtswidrig erklärt.
Auch bei der polizeilichen Räumung der Schumannstraße 60 am 20. Oktober 2011 wurden ca. 80 Personen im Anschluss an die Räumung in die Frankfurter GeSa verbracht und für mehrere Stunden dort festgehalten. Erst gegen 04:00 Uhr nachts wurden die letzten Personen wieder freigelassen. Wie im vorliegenden Fall widersprach auch diese Maßnahme § 163c I StPO, wonach eine Person nicht länger festgehalten werden darf, als dies für eine Identitätsfeststellung erforderlich ist. Gerade gegenüber Minderjährigen stellte dieses Vorgehen einen massiven Rechtsbruch dar.
Die Erfahrung zeigt, dass gerichtliche Entscheidungen dem polizeilichen Vorgehen de jure zwar immer wieder Grenzen setzen, diese de facto allerdings kaum Einfluss auf das konkrete polizeiliche Vorgehen haben. Nicht zuletzt das gewaltsame polizeiliche Vorgehen gegen die Blockupy-Demonstration im Juni diesen Jahres oder die stundenlange von massiver Gewalt begleitete Einkesselung von 1000 Personen bei den Blockaden des Nazi-Aufmarsches am 01. Mai belegen, dass Grundrechte wie die Demonstrationsfreiheit und sogar das Recht auf körperliche Unversehrtheit immer wieder juristisch und politisch erkämpft werden müssen. Der AK Recht wird weiterhin studentische und hochschulpolitische Proteste juristisch unterstützen und polizeiliche Repression öffentlich machen.